Meine Plenarrede: Wir unterstützen Ministerpräsident Rhein bei der Weiterentwicklung der Schuldenbremse

Meine Rede zum GRÜNEN Setzpunkt im März-Plenum hatte die Schuldenbremse zum Thema. Wir wollen eine generationengerechte und zukunftsfeste Weiterentwicklung der Schuldenbremse. Dass Ministerpräsident Boris Rhein sich dazu gesprächsbereit zeigt, freut uns.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen,

es ist gerade mal einen Monat her, dass wir von diesem Pult aus über die Schuldenbremse diskutiert haben. Dabei ging es auch um die Frage, mit welcher Finanzpolitik Deutschland und Hessen gut und zukunftsfest aufgestellt sind. Unsere Position ist klar: Die Zeit sprudelnder Steuereinnahmen ist vorbei. Zukunftsausgaben für den Klimaschutz, für eine zukunftsfeste Infrastruktur und für den sozialen Zusammenhalt dürfen aber keinesfalls unter die Räder geraten.

Auch wenn sich der Grundgedanke der Schuldenbremse bewährt hat, darf sie nicht dazu führen, dass wir kommenden Generationen eine marode Infrastruktur, eine kaputte Umwelt und eine abgehängte Wirtschaft hinterlassen.

Vor etwa einem Monat hat der geschätzte Kollege Michael Reul, CDU, den ich jetzt leider gar nicht sehe, an diesem Pult zu dem gemeinsamen Dringlichen Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen gesagt:

„Dort steht nichts von einer Aufweichung der Schuldenbremse. Wer in den Koalitionsvertrag schaut, wird dazu auch nichts finden. Wir stehen zur Schuldenbremse… wir werden die Aufgaben zukünftig auch mit der Schuldenbremse für die Bürgerinnen und Bürger ergreifen und auch lösen.“

Weiterhin hat er gesagt: „Ein Bekenntnis zur Schuldenbremse? Das steht im Antrag, das steht im Koalitionsvertrag.“

Umso mehr haben wir, die Mitglieder der GRÜNEN-Fraktion, uns gefreut, als wir vor zwei Wochen einem Interview des „Tagesspiegel“ entnehmen konnten, Ministerpräsident Boris Rhein sei für eine Weiterentwicklung der Schuldenbremse offen. „Kluge Vorschläge zur Weiterentwicklung der Schuldenbremse“ lägen auf dem Tisch, die man „sehr ernst nehmen müsse“, so der Hessische Ministerpräsident.

Das hat Schwarz-Rot aber nicht daran gehindert, unseren Dringlichen Entschließungsantrag, der konkrete Vorschläge für eine generationengerechte und zukunftsfeste Weiterentwicklung der Schuldenbremse gemacht hat, in der letzten Plenarsitzung nonchalant abzulehnen. Daher müssen wir leider feststellen: Reden und Handeln dieser schwarz-roten Koalition klaffen meilenweit auseinander!

Verehrte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, haben Sie keine Sorge! Heute bekommen Sie erneut die Chance, Ihren Worten Taten folgen zu lassen. Sie können am Ende der Debatte unserem Entschließungsantrag zustimmen. Denn mit einem solchen politischen Mandat könnten Sie Boris Rhein heute den Rücken für seine Reformbemühungen bei der Schuldenbremse stärken. Denn er ist als CDU-Ministerpräsident mit seiner progressiven Meinung dazu gar nicht alleine. Ich darf einmal den Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff, zitieren: „Wir müssen einfach sicherstellen, dass auch künftig strategisch wichtige Investitionen in Krisenzeiten möglich sind“, sagte Haseloff.

Berlins Regierungschef Kai Wegner sagte sogar: „Die Schuldenbremse ist im Sinne solider Finanzen eine gute Idee. Ihre derzeitige Ausgestaltung halte ich allerdings für gefährlich…“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das entspricht ganz unserer Rede. Die Schuldenbremse stammt aus einer Zeit, als wir in Europa noch keinen Krieg hatten und der Klimaschutz noch nicht ernst genommen wurde. Um die dringend benötigten Investitionen für eine klimafreundliche Wirtschaft möglich zu machen, muss die Schuldenbremse weiterentwickelt werden.

Anders sieht das allerdings der Parteivorsitzende der CDU, Friedrich Merz. Er ließ nämlich im Rahmen dieser jetzt geführten Debate über seinen Generalsekretär letzte Woche mitteilen: „Mit der CDU wird es keine Reform oder Abschaffung der Schuldenbremse geben. Punkt“.

Das ist natürlich sehr praktisch. Denn auf diese Weise kann man die Stimmen der Anhänger und der Gegner der Schuldenbremse einfangen.

Abgesehen davon fragen wir uns natürlich: Was gilt denn jetzt? Wer hat denn in der CDU das Sagen? Sind das die Praktiker, die vor Ort regieren und merken, welche Belastungen in den nächsten Jahren auf die Haushalte der Länder zukommen werden? Oder ist das doch eher der Trockenschwimmer Friedrich Merz in Berlin? Auf die Auflösung sind wir sehr gespannt.

Ich will gerne noch einmal auf den Ausgangspunkt des Sinneswandels unseres Ministerpräsidenten zurückkommen. Dass sich bis zu 50 Unternehmen mit einem Brandbrief für eine Reform der Schuldenbremse ausgesprochen haben, ignorieren die mitglieder der CDU. Ich kann Ihnen das leider nicht ersparen: Das ist das gleiche Motto wie neulich. In einem sehr sehenswerten Interview im „ZDF-Morgenmagazin“ hat der Ministerpräsident gesagt: „Jetzt wollen wir die Kirche mal im Dorf lassen. Jetzt ist auch mal gut mit dem, was die Wirtschaft da erzählt“.

Das ist hier leider genauso. Als selbst ernannte Wirtschaftspartei hätten wir von allen Mitgliedern der CDU schon etwas mehr Interesse am Wohlergehen der Wirtschaft erwartet. Wir haben auch erwartet, dass Sie wissen, dass ein wesentlicher Baustein für den wirtschaftlichen Erfolg Planungssicherheit ist. Die Unternehmen brauchen das. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass sie Transformation geschieht. Das ist dann nämlich eine wirtschaftliche Chance. Deutschland wird dann nicht abgehängt.

Wie gsagt, die Wirtschafts sagt das. Die Gewerkschaften sagen das. Zum Beispiel hat der geschätzte Michael Rudolph, der Vorsitzende des DGB-Bezirks Hessen Thüringen, gesagt: „Investitionen in die Zukunftsfähigkeit und Wirtschaftskraft unseres Landes müssen über Kredite finanziert werden können. Alles andere führt … zu einer Verschlechterung der Lage und zu großer Unsicherheit für Beschäftigte und Einkommen.“

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, statt einer Zukunftsbremse brauchen wir mehr Investitionen für die Zukunft. Wer das nicht versteht, sollte sich bitte nicht Mitglied einer Wirtschaftspartei nennen.

Ich habe jetzt viel über die CDU gesprochen. Wir freuen uns natürlich auch sehr darüber, dass der Kollege Tobias Eckert, der Vorsitzende der SPD-Fraktion, auch direkt seine Unterstützung für den Vorstoß des Ministerpräsidenten bekundet und eine Reform der Schuldenbremse gefordert hat. Ich darf ein paar Highlights aus der Pressemitteilung zitieren:

„Mit Blick auf die Schuldenbremse müssen wir uns heute die Frage stellen, ob diese in ihrer derzeitigen Form dem erheblichen Bedarf an Investitionen in die öffentliche Infrastruktur unseres Landes tatsächlich gerecht wird und ob sie den Staat möglicherweise darin hemmt, einer heraufziehenden Wirtschaftskrise kraftvoll zu begegnen.“

„Wir sollten aber nicht riskieren, dass sich Hessen und Deutschland gerade in einer wirtschaftlichen Flaute … ‚kaputtsparen‘. Denn wenn wir heute nicht in dem erforderlichen Maß in die digitale Infrastruktur, in Straßen und Schienen, in Wohnungen, Krankenhäuser und Schulen investieren können, dann wird der Schaden für die nachfolgenden Generationen weit größer sein als der Nutzen eines ausgeglichenen Haushalts.“

Lieber Tobias Eckert, das sind sehr kluge Worte. Wir sehen, die Front bröckelt. Die Weiterentwicklung der Schuldenbremse gewinnt an Fahrt. Was zu diesem Meinungswandel auch geführt hat, sind die Äußerungen der Wirtschaftsweisen. Wenn sogar diese neutralen Expertinnen und Experten sagen, dass sie bei der Schuldenbremse Reformbedarf sehen, dann führt das wohl doch dazu, dass auch der Hessische Ministerpräsident diesen Reformbedarf anerkennt.

Es ist wirklich dringend notwendig; denn als Politik haben wir die Aufgabe, für einen funktionierenden Staat zu sorgen – Stichwort: Infrastruktur – und damit auch für die Grundlage eines intakten Gemeinwesens, wirklich für ein Land, das einfach funktioniert.

Auf der Website der Wirtschaftsweisen steht wörtlich:

„In ihrer aktuellen Ausgestaltung ist die Schuldenbremse starrer, als es zur Aufrechterhaltung der Schuldentragfähigkeit notwendig ist. Sie beschränkt die fiskalischen Spielräume … unnötig stark. Eine solche Anpassung der Schuldenbremse erhöht die Flexibilität der Fiskalpolitik, ohne die Tragfähigkeit der Staatsfinanzen zu gefährden.“

Wenn wir das sagen, werfen Sie uns nicht vor, dass wir die Wirtschaft gefährden würden. Ich glaube, die Wirtschaftsweisen haben genau das im Blick.

In diese Kerbe schlägt auch noch der Chef der Bundesbank, Joachim Nagel. Die Bundesbank ist auch nicht gerade dafür bekannt, sprunghafte Innovationen zu tätigen. Er sagt, eine stabilitätswahrende Reform sei nicht ausgeschlossen, es müsse eben gewährleistet sein, dass die Schuldenquote den 60-Prozent-Referenzwert einhalte.

Ja, das sind jetzt alles Vorschläge, die sich auf die Schuldenregel im Grundgesetz beziehen, also auf die Bundesebene. Aber auch in Hessen gibt es Handlungsspielräume, die Sie teilweise selbst in Ihrem Koalitionsvertrag erkannt und dort hineingeschrieben haben. Allen voran ist das die Evaluation des Konjunkturbereinigungsverfahrens – sehr technisch, aber sehr wichtig. Das wäre nämlich eine gute Sache, weil so über das Ausführungsgesetz der Schuldenbremse der Handlungsspielraum im Rahmen der Schuldenbremse erhöht werden könnte, ganz im Rahmen der jetzigen verfassungsrechtlichen Lage.

Wenn Sie also sonst schon keine Weiterentwicklung der Schuldenbremse in Vertrag vereinbart haben, was wir wirklich sehr bedauern, dann müssen Sie wenigstens diesen kleinen Schritt zeitnah umsetzen.

Ich will es noch einmal sagen – es war schon letzte Woche Thema –: Es wäre schon jetzt möglich, dass öffentliche Investitionsgesellschaften mit eigener Rechtspersönlichkeit Fremdkapital aufnehmen, um damit Investitionen zu finanzieren – zum Beispiel eben für das Schienennetz, für die Straßen oder für Hörsaalgebäude. Bei der Debatte im letzten Plenum waren die CDU-Kolleginnen und Kollegen hier ganz außer sich, als ich das gesagt habe. Aber es steht leider nicht in Ihrem Koalitionsvertrag.

Ich sage also jetzt: Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der SPD, reihen Sie sich ein in die Riege derer mit Wirtschaftskompetenz. Die Wirtschaftsweisen, die Bundesbank und auch uns hätten Sie an Ihrer Seite. Wir geben Ihnen jetzt noch eine zweite Chance. Unterstützten Sie den Hessischen Ministerpräsidenten in seinen sehr klugen Reformüberlegungen, unterstützen Sie den sehr klugen SPD-Fraktionsvorsitzenden und stimmen Sie jetzt unserem Antrag zu.

Vielen Dank!