Meine Plenarrede: „Aktive Familienunterstützung“ und Grunderwerbsteuer

Im Juni-Plenum haben wir den Setzpunkt der AfD-Fraktion mit dem Titel „Aktive Familienunterstützung durch Senkung des Grunderwerbsteuersatzes“ diskutiert. Die zweifelhaften Argumente der AfD-Fraktion habe ich in meiner Rede hinsichtlich ihrer eigentlichen Hintergedanken enttarnt und in der Debatte auf  notwendige Änderungen bei Share-Deals hingewiesen:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Schulz, Sie sind nicht Mitglied

des Haushaltsausschusses und wir wissen jetzt auch, warum das gut so ist.

Eineinhalb Jahre vor dem Ende der Legislaturperiode geht der AfD etwas die Puste aus. Als Setzpunkt wird ein Antrag mit ganzen fünf Sätzen vorgelegt, der in der Forderung gipfelt, Hessen möge sich im Bundesrat für mehr Freiheit bei der Gestaltung der Grunderwerbsteuer einsetzen. Was sich die AfD darunter genau vorstellt, was sie plant oder welchen Hebesatz sie als angemessen erachtet, ob sie ihn reduzieren oder ganz streichen will und wie das gegenfinanziert werden soll, dazu haben wir eben zwar ein bisschen was gehört, aber der Antrag sagt dazu nichts. Herr Schulz, das war nicht wegweisend, sondern das war wirklich vollkommen nebulös.

Abgesehen davon: zur Sache, zur Grunderwerbsteuer. Die Erlangung von Wohneigentum ist für viele Menschen ein Lebenstraum – nicht nur für junge Familien; darauf komme ich später noch einmal zu sprechen –, aber da die Bau- und Immobilienpreise immer weiter steigen, dass einem schwindelig werden kann, wird dieser Traum immer schwieriger zu erfüllen. Bei den zurzeit krassen Preisen ist, würde ich sagen, die Grunderwerbsteuer allerdings nicht das entscheidende Problem. Das müsste man ehrlicherweise dazusagen; da machen Sie sich ein etwas falsches Bild, Herr Schulz. Die Grunderwerbsteuer ist ein Teil der Kaufnebenkosten. Gesetzlich geregelt wird sie vom Bundestag. Die Länder können lediglich den Hebesatz bestimmen. Dieser liegt in Hessen – wie in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern – bei 6 %. Damit ist der Hebesatz in Hessen niedriger als in fünf anderen Bundesländern, wo 6,5 % fällig werden. In acht anderen Ländern, also in der Hälfte der Bundesländer, ist der Hebesatz niedriger als in Hessen. Wenn man also suggeriert, Hessen sei im Vergleich ein Land mit einem superhohen Hebesatz, dann stimmt das erwiesenermaßen nicht. Herr Schulz, ich finde, Sie hätten besser nachschauen sollen, bevor Sie hier so etwas behaupten.

Bayern ist eines der Länder, die einen niedrigeren Hebesatz haben. Aber fünf andere Länder haben einen höheren Hebesatz als Hessen. Selbstverständlich darf Wohnungseigentum nicht den Superreichen vorbehalten sein. Um die Nebenkosten nicht weiter zu erhöhen und die Hürden für den Immobilienerwerb von staatlicher Seite nicht noch weiter anzuheben, haben wir von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im aktuellen Koalitionsvertrag vereinbart, dass der Steuersatz der Grunderwerbsteuer in dieser Wahlperiode nicht weiter erhöht werden soll. Das steht im Koalitionsvertrag.

Jetzt will ich auf eine andere Problematik zu sprechen kommen, die Sie eben gar nicht erwähnt haben. Wenn Eigentum zwischen Privatleuten übertragen wird, wird Grunderwerbsteuer fällig. Betrifft das Geschäft allerdings Unternehmen, dann werden oft gar keine Kaufverträge geschlossen, sondern auf dem Papier wechseln bloß die Anteile an einem Unternehmen, also Shares, den Eigentümer. Das ist dann, formal gesehen, gar kein Grunderwerb und deshalb wird auch keine Grunderwerbsteuer fällig. Aus unserer Sicht ist es eine ziemliche Ungerechtigkeit, dass Privatpersonen, wenn sie ein Haus oder eine Wohnung kaufen, einen steuerlichen Beitrag an die Allgemeinheit leisten, während Unternehmen mit diesen Share Deals die Zahlung von Grunderwerbsteuer ganz einfach umgehen können. Das ist, ehrlich gesagt, eine ziemlich unfaire Geschichte Da der Kampf gegen Steuerkriminalität und Steuerbetrug ein Schwerpunkt der Finanzpolitik dieser Landesregierung ist, setzt sie sich schon seit 2016 gegen diese sogenannten Share Deals ein und versucht, über Anträge im Bundesrat Verbesserungen zu erreichen. Bis vor Kurzem hat es nämlich, um die Grunderwerbsteuer zu umgehen, bei Unternehmen ausgereicht, wenn man 5 % der Anteile bei dem*r ursprünglichen Eigentümer*in belassen hat. Das ist in etwa so, als ob jemand meine Wohnung kaufen und ich die Speisekammer behalten würde. Dadurch wird der Kauf steuerfrei, und dann warten wir fünf Jahre, um auch noch die Speisekammer zu übertragen. Der neue Eigentümer besitzt dann die Wohnung zu 100 %, hat aber am Ende keinen Cent Grunderwerbsteuer bezahlt. So war es bis vor Kurzem. Das hat bei den Ländern zu einem Verlust an Steuereinnahmen von etwa 1 Milliarde € pro Jahr geführt.

Unvergessen ist ein Beispiel aus Berlin. Vor ein paar Jahren wurde das Sony Center, das Sie sicher kennen, verkauft. Bei einem Kaufpreis von 1,4 Milliarden € wurden null Cent Grunderwerbsteuer gezahlt. Dabei hat Berlin auch eine Grunderwerbsteuer von 6 %. Im Vergleich dazu fallen bei einer Wohnung, die für 300.000 € gekauft wird, 18.000 € Grunderwerbsteuer an. Das ist ein total krasses Missverhältnis. Der Aufschrei nach dem Verkauf des Sony Centers in Berlin war so groß, dass der Käufer sogar 66 Millionen € Grunderwerbsteuer freiwillig nachgezahlt hat. Schöner wäre es natürlich, es müsste nicht nur nachgezahlt werden, wenn es freiwillig ist. Die vorige Bundesregierung hat in der letzten Legislaturperiode die Regeln etwas geändert. Die Grunderwerbsteuer wird jetzt schon bei einem Anteil von 90 % der Shares fällig anstatt von 95 %, wie es vorher war und die Wartezeit wird von fünf auf zehn Jahre verlängert. Das ist begrüßenswert, aber aus unserer Sicht reicht es leider noch lange nicht aus.

Jetzt kommen wir wieder zu Hessen: Nur bei gesicherten ausreichenden Mehreinnahmen aus einer Share-Deal-Gesetzesänderung auf der Bundesebene hätten wir für eine Hebesatzsenkung in dieser Legislaturperiode Spielraum gesehen. Das ist die Vereinbarung im Koalitionsvertrag. Deshalb lehnen wir den Antrag der AfD ab. Das stelle ich hiermit schon einmal klar.

Ich will jetzt noch etwas zu dem Punkt „aktive Familienunterstützung“ sagen, der auch in dem Antrag aufgegriffen wird. Wenn man über eine Erleichterung bei der Grunderwerbsteuer diskutiert, sollten aus unserer Sicht keineswegs nur junge Familien im Fokus stehen. Da hätte ich nämlich die Frage: Was verstehen Sie eigentlich darunter? Vater, Mutter und möglichst viele blonde Kinder? – Ich glaube, das ist das, was Sie fördern wollen.

Aus unserer Sicht müsste man bei einer Reform der Grunderwerbsteuer auch Erleichterungen für den sozialen Wohnungsbau, für Miet- oder Genossenschaftswohnungen und für Wohnungen, die dauerhaft Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen zur Verfügung stehen, ins Auge fassen. Man müsste auch einmal über den Freibetrag für selbst genutzten Wohnraum nachdenken – aber das nicht nur abhängig davon, ob man einen Trauschein hat oder nicht.

Die Ampelkoalition auf der Bundesebene hat im Koalitionsvertrag eine flexiblere Gestaltung in Aussicht gestellt, sagt aber auch, dass das durch eine Share-Deal-Gesetzesänderung finanziert werden soll. Deswegen sind wir sehr gespannt, was im Bund passieren wird und wann es passieren wird. Jedenfalls ist es klar – das hat die Rede von Herrn Scholz eben gezeigt –: Die AfD will sich hier als familienfreundliche Fraktion inszenieren. Aber Gott bewahre, dass die Familie aus zwei Müttern besteht oder aus einem verwitweten Vater, seinem Kind und einer neuen Partnerin, mit der er ohne Trauschein zusammen ist. Seien Sie doch einmal ehrlich und erzählen Sie, was Sie sich unter Familienpolitik vorstellen. Wir haben eben schon ein bisschen darüber gehört. Sie wollen z. B. die Hürden für Schwangerschaftsabbrüche erhöhen. Sie wollen, dass in Kindergärten nur Deutsch geredet wird. – Das kommt heraus, wenn man „Familienpolitik“ und „AfD“ googelt. In Ihrem Antrag kommt das Wort „Familienunterstützung“ vor.

Sie wollen Kitas und Schulen von „politischen Ideologien“ wie „Genderwahn und Klimahysterie“ befreien. Wir stehen für eine Familienpolitik, bei der Menschen unterstützt werden, wenn sie, egal welches Geschlecht sie haben, füreinander Verantwortung übernehmen. Wir stehen für eine Politik, bei der Kinder die Unterstützung bekommen, die sie brauchen, um ihre Persönlichkeit zu entfalten und zu aufgeklärten Erwachsenen zu werden. Hören Sie einfach auf, sich als familienfreundlich zu inszenieren, wenn Sie gleichzeitig alle anderen ausschließen, die nicht Ihrem Bild entsprechen.

Von daher: Ihre Familienpolitik braucht unsere Gesellschaft nicht und Hessen braucht nicht einen solchen Antrag. – Vielen Dank.