Nationalhymne als Aufruf zu demokratischer Einheit soll etwas Besonderes bleiben

Im Hessischen Landtag ist die AfD mit ihrem Antrag gescheitert, am Ende jeder Plenarwoche die Nationalhymne zu singen. In meiner Rede erkläre ich, warum das Singen der Hymne etwas Besonderes bleiben sollte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Die Nationalhymne ist kein Lied wie jedes andere. Wir hören und singen sie zu besonderen Anlässen, als Teil verschiedener zeremonieller Aktivitäten und Regeln. Im Protokoll der Bundesregierung ist genau festgelegt, welche Anlässe das sein können. Das sind zum Beispiel Staatsbesuche, Gedenkveranstaltungen, Trauerstaatsakte, Amtswechsel oder Ordensverleihungen.

Sinn und Zweck ist, dass zum Beispiel bei Staatsbesuchen dadurch der Rang und die Würde des Gastes ausgedrückt werden. Deswegen spielt man zum Beispiel auch die Nationalhymne, wenn jemand eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen gewonnen hat. Ich gebe zu, wenn ich die Nationalhymne höre oder singe, wie zum Beispiel am 3. Oktober in der Paulskirche in Frankfurt, dann ergreift mich das schon. Für mich ist das etwas Besonderes, ich fühle dann die besondere Würde und Wertschätzung. Ich habe Respekt vor unserer Nationalhymne und dem, was sie aussagt, nämlich Einigkeit und Recht und Freiheit.

Die Frage ist nicht, wie oft wir die Hymne singen, sondern die Bedeutung der Momente, in denen wir sie singen, macht unsere Hymne so wertvoll. Bei aller Wertschätzung für diese Landtagssitzungen, sie sind – übrigens auch wie die Sitzungen des Deutschen Bundestages – nicht unter den besonderen Anlässen im Protokoll aufgeführt. Ich glaube, wir, der Rest dieses Hauses, sind uns einig, dass wir das auch nicht ändern wollen. Wer aber, wie die AfD, beantragt, dass die Hymne standardmäßig am Ende jeder Plenarwoche gesungen wird, verkennt, worin die Kraft ihrer Symbolik liegt. Er nimmt in Kauf, dass das Besondere verloren geht, und zeigt damit eigentlich nur eines: Er hat gerade keinen Respekt vor unserer Nationalhymne.

Wir wissen ja, was gleich passieren wird: Herr Richter schreibt schon die Rede für die zweite Runde, der Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung wird abgelehnt, und Sie werden dann wieder versuchen, sich als die vermeintlich „wahren Deutschen“ darzustellen. Das ist so durchschaubar, das ist ein perfides Spiel.

Die AfD hat ein absolut problematisches Demokratieverständnis, das auf äußere Zeichen setzt: die Flaggendebatte von heute Vormittag, die Hymne, Ihre Deutschlandpins. Aber das Wichtige ist doch nicht das Äußere, sondern, ob man innerlich von den Werten unseres Grundgesetzes und der Nationalhymne überzeugt ist.

Schauen wir uns das doch noch einmal an:
Einigkeit. – Das Ziel der AfD aber ist, zu spalten.

Recht. – Die AfD verachtet die Rechte von Minderheiten und unsere offene Gesellschaft, die durch das Grundgesetz geschützt ist.

Freiheit. – Die AfD kämpft gegen unsere offene und freie Gesellschaft und unsere freiheitliche demokratische Grundordnung, wo sie nur kann.

Unterm Strich: Die AfD missachtet eigentlich alles, wofür unsere Nationalhymne steht.

Warum wollen Sie sie denn dann eigentlich singen?

Es hat einen Grund, warum die Nationalhymne besonderen Anlässen vorbehalten ist: Hoffmann von Fallersleben hat den Text 1841 – das fehlte übrigens eben in Ihrer Auflistung – als Aufruf zur demokratischen Einheit verfasst. Das sollten wir durch eine sachliche, lösungsorientierte Politik für unser Land ehren, und nicht dadurch, dass wir die Hymne am Ende jeder Sitzung ritualisiert absingen.

Anders als die AfD haben wir demokratische Fraktionen großen Respekt vor unserem Grundgesetz und der Hymne. Anders als die AfD achten wir die Werte der Nationalhymne: Einigkeit und Recht und Freiheit. – Für die AfD gilt: Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.

Ihr Pseudopatriotismus macht Sie aber noch lange nicht zu Patrioten.

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