Schein-Debatten und falsche Prioritäten

Ein Jahr Schwarz-Rot in Hessen – eine Bilanz

Es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass CDU und SPD in Hessen ihren Koalitionsvertrag unterschrieben haben. Bis Ende 2023 haben wir GRÜNE zehn Jahre lang Hessen GRÜNER und gerechter gemacht. Mit den Schüler*innen-, Senior*innen- und Landestickets war Hessen Vorbild für das Deutschlandticket. Mit dem ersten Hessischen Klimagesetz haben wir die Lebensgrundlagen unserer Zukunft geschützt und die Entwicklung zu einer klimaneutralen Wirtschaft vorangetrieben. Mit unserer Sozialpolitik haben wir mehr Teilhabe ermöglicht, die Vielfalt unserer Gesellschaft als Chance anerkannt und mit dem Sozialbudget den Vereinen, Verbänden und Initiativen zum ersten Mal wirkliche Planungssicherheit gegeben. Und vor allem haben wir uns dabei um die realen Probleme der Menschen in Hessen gekümmert.

Damit ist es seit Januar aber vorbei. Die sogenannte große Koalition aus CDU und SPD in Hessen ist von Anfang an eigentlich nur durch Schein-Debatten, zusätzliche Ministerien und Show statt Politik aufgefallen. Als erste Maßnahme hat diese Koalition ein Genderverbot eingeführt und so getan, als löse man damit irgendein Problem, ohne zu merken, dass sie damit die Debatte in den Schulen und in der Verwaltung erst selbst vom Zaun gebrochen hat. Und während es vorher noch einen Fahrplan gab, wie die Landesverwaltung ihre Klimaziele erreichen und CO₂-neutral werden kann, haben die SPD-Minister*innen erstmal die vollelektrischen Dienstwagen ihrer GRÜNEN Vorgänger*innen abgeschafft. Begründung: Es sei nicht praktikabel, wenn man den ganzen Tag in Hessen unterwegs ist. Abgesehen davon, dass das für die GRÜNEN Minister*innen erstaunlicherweise kein Problem war, hätten wir schon erwartet, dass sich die Landesregierung mit Nachdruck für bessere Bedingungen für E-Mobilität landauf landab einsetzt.

Nach einem Jahr sogenannter großer Koalition in Hessen müssen wir festhalten: Die CDU macht was sie will und die SPD macht alles mit. Beispiel Verkehrspolitik: Anstatt mehr Geld für sichere, bezahlbare und klimafreundliche Mobilität in den Ausbau von Rad- und Fußwegen, neue Schienenstrecken und attraktiven ÖPNV zu strecken, plant die Koalition mit der A5 die bundesweit erste zehnspurige Autobahn. So geht Verkehrspolitik volle Fahrt in Richtung Vergangenheit!

Oder wer dachte, dass das Streichen des Wortes „Klimaschutz“ aus dem Titel des Umweltministeriums vom neuen Minister nur eine Formalität war, wurde jetzt, wo der Haushaltsentwurf für 2025 da ist, eines Besseren belehrt. Denn als hätten wir nicht den Sommer der Extremwetter erlebt, legt Schwarz-Rot die Axt beim Klimaschutz und der Förderung erneuerbarer Energien an.  Die Nachhaltigkeitsstrategie des Landes wird abgewickelt. Die Landesenergieagentur, die Bürger*innen und Kommunen bei der Energiewende unterstützt, wird zusammengekürzt. Obwohl wir, seit Robert Habeck Wirtschaftsminister ist, endlich wieder Rückenwind aus Berlin bekommen, steht die Energiewende seit Januar in Hessen still.

Die bittere Bilanz ist: Wenn CDU und SPD zusammen regieren, dann kommt der Klima- und Umweltschutz unter die Räder, dann wird an der Zukunft gekürzt. Für echte Klimapolitik, die nicht nur das Klima, sondern auch unsere Freiheit schützt, in Zukunft in Wohlstand leben zu können, braucht es GRÜNE in Regierungsverantwortung! 

Aber in Hessen macht die CDU was sie will und die SPD macht alles mit. Weitere Beispiele: Auf ein sozialpolitisches Projekt warten seit Januar vergebens. Aus einer Sozialministerin wurden zwei, aus einer Staatsekretärin gleich drei. Statt mehr Sozialpolitik gab es aber weniger. Auch hier wird dramatisch gekürzt – zwei Sozialministerien zu finanzieren waren offenbar wichtiger als die Teilhabe armer Menschen und die Finanzierung hessischer LSBTIQ-Politik. In der Wohnungspolitik baut die CDU den Mieterschutz in Hessen ab. Luxus-Sanierungen und das aggressive Vertreiben bisheriger Mieter*innen wird künftig in Hessen wieder leichter. Die SPD macht fröhlich mit.

Was den ländlichen Raum angeht: Ein Ex-SPD-Abgeordneter wurde Beauftragter für den ländlichen Raum, der jetzt spannende Entdeckungen macht. Zitat: „Beim Bürgerbustag in Grünberg, wo ich kürzlich war, habe ich viele Ideen mitgenommen, wie man ländliche Regionen zusätzlich zum ÖPNV attraktiv verkehrlich ergänzen kann.“ Liebe SPD, herzlich Willkommen in der Realität!

Super ist auch, wenn SPD und CDU nicht müde werden zu betonen, was sie für Kommunalparteien sind. Auch wir GRÜNE tragen Verantwortung in den Kommunen! Wir wissen, dass ohne eine bessere Unterstützung des Landes bei der Kinderbetreuung, beim Angebot von Bussen und Bahnen Verschlechterungen drohen. Aber anders als die SPD in der Opposition landauf, landab erzählt hat, kürzt die Regierung den Kommunen jetzt ordentlich die Mittel und lässt sie bei ihren wichtigen Aufgaben im Stich. Ich empfehle kommunalpolitisch Aktiven: Denkt an die zusätzlichen Stellen in den Ministerien und an das Hessengeld, wenn ihr versucht, die Haushalte vor Ort aufzustellen und bedankt euch dafür bei Boris Rhein!

Die Hochschulen, für die wir GRÜNE in den letzten 5 Jahren die Verantwortung getragen haben, konnten sich bisher auf eine zugesicherte Steigerung ihrer Mittel verlassen. Wie sieht es jetzt aus? Nicht nur hat Schwarz-Rot den Hochschulen 100 Millionen gekürzt, sie „dürfen“ jetzt auch noch – um die Haushaltslöcher zu stopfen – ein Sonderopfer bringen. Statt in neue Hochschulgebäude zu investieren, wird mit dem Geld das sinnloseste Wahlgeschenk der CDU – das Hessengeld – finanziert.

Das Hessengeld war eine Wahlkampf-Forderung der CDU. Sinnlos, wirkungslos. Wir stellen jetzt übrigens fest, dass niemand die Umsetzung des CDU-Wahlprogramms stärker feiert als die SPD, die das Hessengeld historisch finden. Ein klarer Fall von Überanpassung. 

Diese Geldanleihe bei den Hochschulen ist nichts anderes als eine riesige Verbindlichkeit des Landes gegenüber den Hochschulen. Es ist eine Verschiebung von Lasten in die Zukunft. Aber wenn man die Schuldenbremse in den Mittelpunkt seiner Politik stellt: Dann verantwortet man zwar keine Geldschulden, aber Schulden aus Beton. Deswegen: Die Schuldenbremse gehört endlich reformiert!

Die CDU-Alleinregierung hat es uns leichtgemacht, in der Opposition anzukommen. Es ist überraschend, was die SPD alles mit sich machen lässt – auch die Tatsache, dass Boris Rhein für jegliche Probleme die Bundesregierung und (bis vor Kurzem) die Ampel verantwortlich macht. Eine solche Politik wäre in der Tat mit uns nicht zu machen gewesen. Aber umso mehr sehen wir, dass wir im Bundestagswahlkampf um jede Stimme kämpfen müssen. Denn eine Koalition von CDU und SPD ist schlecht für unser Land, sie führt Schein-Debatten, sie kümmert sich nicht um die Probleme der Menschen. Das gibt uns allen nochmal extra Motivation um dafür zu kämpfen, dass uns nach der Wahl im Bund nicht das gleiche Schicksal wie in Hessen droht.