Den Finanzplatz Frankfurt stärken

Wie ernst meinen wir es mit der Europäischen Banken- und Kapitalmarktunion? In meiner Rede im Oktober-Plenum zu einer möglichen Übernahme der Commerzbank durch die italienische Bank UniCredit erläutere ich, warum wir anerkennen müssen, dass grenzüberschreitende Fusionen dazu gehören können, wenn wir den gemeinsamen Binnenmarkt wollen. Letztlich muss unser Ziel sein, den Finanzplatz Frankfurt zu stärken. Darum ist für uns GRÜNE klar: Statt nationalstaatlicher Reflexe und politischem Aktionismus brauchen wir eine nachhaltige Strategie für den Finanzplatz Frankfurt.

Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! In den letzten Wochen gab es harsche Äußerungen rund um die Commerzbank. Von Ausverkauf in einer Nacht-und-Nebel-Aktion war die Rede. Wir GRÜNE finden es zunächst einmal wichtig, festzustellen: Ohne starke Banken gibt es keine starke Wirtschaft. Unabhängig von dem konkreten Fall lohnt es sich, die Frage zu stellen: Wie ernst meinen Sie das? – Da bin ich bei der Kollegin Schardt-Sauer. Wir ernst meinen wir es denn wirklich mit der europäischen Banken- und Kapitalmarktunion? Herr Stolz, nachdem ich Ihre Rede gehört habe, bin ich mir da nicht mehr so sicher.

Wenn wir es in der Europäischen Union mit einem gemeinsamen Binnenmarkt ernst meinen, dann müssen wir unabhängig von der Situation bei der Commerzbank anerkennen, dass dazu auch grenzüberschreitende Fusionen gehören können. Wir haben in ganz Europa einen enormen Bedarf an Investitionen für die Zukunft. Ohne eine starke und leistungsfähige Bankenwirtschaft werden wir das nicht stemmen können. Deswegen brauchen wir beides. Wir brauchen unsere Sparkassen und Genossenschaftsbanken genauso wie die großen Banken, um als Europäische Union mit China und den Vereinigten Staaten von Amerika überhaupt mithalten zu können.

Deswegen zeigten die Europäische Zentralbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der UniCredit kein Stoppschild. Sie ist übrigens eine gut aufgestellte Bank. Das Gegenteil ist der Fall. Die Aufsicht will der europäischen Integration mit dem Ziel, mehr Resilienz im Bankensektor zu erreichen, nicht im Wege stehen. Ich finde es deswegen wichtig, wie wir über diese Angelegenheit reden. Da macht mir diese Debatte schon Sorgen. Wenn wir jetzt eine Wortwahl wie „Schaden vom deutschen Volk abwenden“ haben, wenn wir da eine Kultur des Misstrauens schaffen, dann wird die Debatte populistisch geführt. Da frage ich mich: Wie wollen wir in Zukunft eigentlich über noch komplexere Vorhaben wie zum Beispiel ein geeintes Insolvenzrecht überhaupt diskutieren?

Es gibt in Europa kein anderes Land, das so sehr vom gemeinsamen Binnenmarkt der Europäischen Union profitiert wie Deutschland. Deutsche Unternehmen beteiligen sich. Sie übernehmen jedes Jahr ausländische Unternehmen in Milliarden-Euro-Höhe. Die Telekom hat zum Beispiel ehemalige staatliche Kommunikationsbetreiber aufgekauft. Sie ist jetzt europaweit Marktführer. Dagegen hatte niemand etwas. Alle, die sich im konkreten Fall unreflektiert wehren, aufschreien und mit schrillen Worten in eine Abwehrhaltung fallen, erweisen der Europäischen Union einen Bärendienst.

Ich will nicht aberkennen, dass eine Übernahme der Commerzbank durch die UniCredit konkrete Auswirkungen haben würde. Die wären aber genau zu betrachten und zu bewerten. Es ist gut, dass der Bundesfinanzminister entschieden hat, erst einmal keine weiteren Anteile an der Commerzbank zu verkaufen. Damit macht die Bundesregierung deutlich, dass sie auch an die Eigenständigkeit der Commerzbank glaubt. Das ist das, was die Bank selbst will.

Natürlich würde es Auswirkungen auf den Finanzplatz Frankfurt haben, wenn die Commerzbank in Zukunft von Mailand aus gesteuert würde. Das Ziel eines starken Finanzplatzes Frankfurt eint uns mit den meisten. Liebe Mitglieder der Union, liebe Mitglieder der Koalition, es reicht nicht, sich darüber zu freuen, dass die AMLA nach Frankfurt kommt und dass Frankfurt in dem neuesten Index wieder unter den Top Ten ist. Es bräuchte dann schon deutliche Anstrengungen der Landesregierung, den Finanzplatz zu stärken. Herr Stolz, dazu haben Sie kein Wort gesagt. Ich höre da nichts. Es geht um die Förderung der Innovationen und der Financial Technology. Ich will einmal daran erinnern, dass wir gerade gestern in der Zeitung lesen konnten, dass die Helaba in ihrer Finanzplatzstudie sehr gute Perspektiven für den Finanzplatz Frankfurt sieht. Das ist die Bilanz von zehn Jahren sehr guter Arbeit der schwarz-grünen Landesregierung. Besonders für den Bereich der Nachhaltigkeit und für die Digitalisierung werden Spezialisten gesucht.

Liebe Mitglieder der Landesregierung, ich kann an Sie nur appellieren: Verspielen Sie das nicht, indem Sie jetzt eine populistische Wortwahl betreiben und nichts für den Finanzplatz Frankfurt tun. Ich will noch einmal Folgendes sagen: Es ist uns sehr wichtig, wenn die Fusion käme – wir wissen das zurzeit noch nicht –, dass sie dann sozialverträglich abläuft. Ehrlich gesagt, es braucht auch keine Fusion, um Filialen zu schließen. Das hat sich bei der Commerzbank gezeigt. Aber wir sind da natürlich an der Seite der Beschäftigten.

Ich möchte noch etwas zum Mittelstand sagen. Herr Stolz, Sie haben eben gesagt, dass die Commerzbank zu 40 Prozent den Mittelstand finanzieren würde. Die Commerzbank hat bei der Finanzierung des Mittelstandes kein Alleinstellungsmerkmal. Aber auch die fusionierte Bank hätte kein Interesse daran, sich von dem Mittelstand abzuwenden. Ich glaube, unsere Unternehmen denken bereits viel europäischer als manche in der deutschen Politik.

Ich komme zum Schluss. Unter dem Strich kann man sagen: Anstatt der Art, wie UniCredit vorgegangen ist, wäre es besser gewesen, auf Kooperation zu setzen. Dazu sage ich definitiv Ja. Aber müssten unsere Wirtschaft und die Kundinnen und Kunden Angst vor einer Bank haben, die fusioniert wurde? Die Antwort lautet definitiv Nein. Was einen starken Finanzplatz angeht, sage ich: Statt nationalstaatlicher Reflexe und politischem Aktionismus brauchen wir eine nachhaltige Strategie zur Stärkung unseres Finanzplatzes Frankfurt. – Vielen Dank.