Das polnische Verfassungsgericht hat am 22. Oktober die Abtreibung im Falle schwerer Fehlbildungen als in Polen nicht verfassungskonform verurteilt. Das derzeit geltende Abtreibungsgesetz in Polen gehört ohnehin schon zu den restriktivsten Abtreibungsgesetzen Europas und droht nun von einem kompletten Abtreibungsverbot ersetzt zu werden. Die katholisch-konservative Regierung Polens geht derzeit von ca. 1.100 Abtreibungen im Jahr aus, die gemäß dem Urteil ebenfalls verboten werden könnten. Gleichzeitig weisen Menschenrechtsorganisationen auf eine viel höhere Dunkelziffer von 150.000 Abtreibungen hin, die in der Illegalität oder im Ausland vollzogen werden. Denn bereits jetzt haben Schwangere in Polen sogar bei vorliegender medizinischer Indikation drastische Schwierigkeiten, einen Schwangerschaftsabbruch in polnischen Krankenhäusern zu erhalten – das polnische Recht ermöglicht es dem Pflegepersonal, die Eingriffe per Gewissenentscheidung abzulehnen.
Seit inzwischen über einer Woche protestieren im ganzen Land täglich Zehntausende Pol*innen gegen dieses Urteil des regierungstreuen Gerichts, auch in der Wielkopolska, der polnischen Partnerregion Hessens. Die Demonstrant*innen fordern eine generelle Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Polen und setzen sich für das Selbstbestimmungsrecht der Pol*innen über ihre Körper ein. Zusätzlich wird in Polen vermehrt der Ruf laut, Staat und Kirche deutlich zu trennen, da hinter den Maßnahmen der Einfluss der in Polen mächtigen katholischen Kirche vermutet wird.
Der Aufschrei in Polen gegen die Missachtung der Selbstbestimmung und der Menschenrechte muss von den anderen EU-Mitgliedsstaaten zum Schutze aller EU-Bürger*innen nicht nur erhört, sondern unterstützt werden! Was in Polen geschieht, muss als Umbau einer liberalen Demokratie zu einem autoritären Staat erkannt werden, während Polen dabei weiterhin Bestandteil der Europäischen Union bleibt. Ein Umbau, der derzeit auf Kosten des Selbstbestimmungsrechts der Pol*innen geschieht. Die Rechte von EU-Bürger*innen befinden sich in Polen unter massiven Einschränkungen und dagegen muss die EU entschieden vorgehen. In außerordentlicher Solidarität stehen wir mit unseren protestierenden EU-Bürger*innen in Polen und fordern eine klare Reaktion der EU-Kommission für ein inklusives, tolerantes und freiheitliches Europa!
Eine Stellungnahme der Grünen im EU-Parlament findet ihr hier.
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