Das Corona-Paket der EU: Ein historischer Schritt mit großen Wermutstropfen

Dass die Staats- und Regierungsschef*innen der europäischen Staaten sich nach viertägiger zäher Verhandlung auf einen Entwurf des nächsten Mehrjährigen Finanzrahmens 2021-2027 einigen konnten, ist ein gutes Zeichen für Europa.

Ein wichtiger Bestandteil des MFR ist ein gemeinsames Corona-Wiederaufbauprogramm: Insgesamt 750 Mrd. Euro sollen bis 2027 zur Verfügung stehen, um die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie in den europäischen Mitgliedsstaaten abzumildern und den Klimaschutz und die Digitalisierung in Europa voranzubringen. Vor allem den von der Krise am stärksten betroffenen Ländern werden die Mittel eine große Hilfe sein. 

Erstmals wird Europa gemeinsam Schulden aufnehmen, um das Budget zu finanzieren. Und erstmals sollen zur Refinanzierung europäische Abgaben und Steuern erhoben werden. Beides sehe ich als historischen Schritt hin zu einer europäischen Fiskalunion. 

Bereits beschlossen ist, dass die ab 2021 geplante Abgabe der Mitgliedsstaaten auf Plastikabfälle vollumfänglich dem EU-Haushalt zugeführt werden soll. Eine gesamteuropäische CO2- und Finanztransaktionssteuer würden darüber hinaus dazu beitragen, Europa grüner und gerechter zu machen, so wie wir GRÜNE dies in Europa schon seit Jahren fordern.

Nicht hinnehmbar sind aus meiner Sicht die Kürzungen, die der Entwurf des Mehrjährigen Finanzrahmen in den Bereichen der Forschung, des Klimaschutzes und der Migrationspolitik vorsieht. Um die globalen Herausforderungen auch in den kommenden Jahren gesamteuropäisch angehen zu können, dürfen wir gerade in diesen Punkten keine Abstriche machen!

Dass es den Vertreter*innen der europäischen Staaten nicht gelungen ist, gegen den Widerstand von Polen und Ungarn die Bewilligung der Mittel an Bedingungen der Rechtsstaatlichkeit zu knüpfen, ohne dass wieder eine qualifizierte Mehrheit des Rats für eine Sanktionierung erforderlich ist, ist ein weiterer großer Wermutstropfen und ein herber Schlag gegen alle Menschen, die in den betroffenen Staaten unter der Verletzung rechtsstaatlicher Normen leiden. Umso dringlicher ist es, das Erfordernis der Einstimmigkeit endlich aufzugeben, das Europäische Parlament als demokratisch gewählte Instanz aufzuwerten und so die Demokratie in Europa zu stärken!

Das Europäische Parlament wird dem Mehrjährigen Finanzrahmen nur zustimmen, wenn folgende Nachbesserungen erfolgen: 

  • Die Etablierung eines effizienten Rechtsstaatsmechanismus
  • Einen verbindlichen Zeitplan für die neuen EU-Abgaben und -Steuern
  • Zusätzliche Ressourcen für EU-Programme wie Horizon, InvestEU, Erasmus+ usw.
  • 30 % mehr Ausgaben für den Klimaschutz und 10 % für Biodiversität, die Abkehr von fossilen Energieträgern und ein konkreter Bezug zur Klassifizierung für nachhaltige Investitionen (Taxonomie)
  • Gender Mainstreaming: Die Ausgaben des EU-Haushaltes und Wideraufbaufonds müssen zur Hälfte Frauen zu Gute kommen
  • Stärkere parlamentarische Kontrolle beim Wiederaufbaufonds.

Eine entsprechende Erklärung, die unter Federführung der europäischen GRÜNEN/EFA gemeinsam mit den europäischen Fraktionen der Christdemokrat*innen, der Sozialdemokrat*innen, der Liberalen und Linken eingebracht wurde, wurde in einer Sondersitzung am Donnerstag mit großer Mehrheit verabschiedet. Das Europäische Parlament hofft auf eine Einigung bis Ende Oktober; sollte diese nicht erfolgen bleibt der derzeitige Finanzrahmen vorübergehend weiterhin in Kraft. 

Die Erklärung des Europäischen Parlamentes findet ihr hier.